Hinter den winterbedingt blätterleeren Sträuchern neben der Bina, lugt das ehemalige „Schlössl“ der Hofmark und Sitzes Rothenwörth, mit seinem doch für unsere Binatal-Landschaft ungewöhnlichem Zeltdach hervor.
Das „Schlößl“ in Rothenwörth neben der Bina. Foto vom Jahr 1973. Archiv: Heimatverein/Museum Vilsbiburg
Der inzwischen längst abgegangene Sitz Rothenwörth erlebte seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts viele Besitzerwechsel. Der Kupferstecher Michael Wening schreibt um 1710: „Ehemaliger Besitzer dieses Schlößl und Sitz, ist Herr Joseph Franz Freiherr von Eisenreich, Ihre Churfürstliche Durchlaucht in Bayern etc. Kammerer, Rat und Landrichter zu Mauerkirchen. Er hat nicht hier in Rothenwörth seine Wohnung genommen, sondern in Mauerkirchen von Amtswegen. Das Schloss liegt im Pfleg-Gericht Biburg, an der Bina und der Ordinari-Landstraße des Marktes Vilsbiburg und Gangkofen auf dem ebenen Land. Obgedachter Baron von Eisenreichs Vater Herr Georg Carl von Eisenreich hat diesen Sitz am 16. Dezember 1659 von Rittmeister Johann Christoph Soyher auf Schorn erkauft.“
Die Lage des Dorfes Rothenwörth an der alten Handelsstraße und den seichten Südhängen an der Bina, lassen auf eine frühe Besiedelung schließen. Dies beweisen auch frühgeschichtliche Funde aus Abfallgruben: Tonscherben, Pfeilspitzen, Klopfkugeln und ein Steinbeil, oberhalb Rothenwörth an der B388, die um 4000 Jahre vor Christus zu datieren sind. Die Umsetzung des „Roth“-Namens könnte mit einem alten, wichtigen Stützpunkt zu klären sein, aber auch von „Rodung“ kommen. Ein „Wörth“ ist ein von Wasser umschlossenes Land; eine Erhebung im Wasser. Somit könnte Rothenwörth von einer gerodeten Insel mit einem Stützpunk in Form einer kleinen Befestigung seinen Namen haben. Vermutlich hatte der adelige Besitzer nordöstlich der Kirche auf einer Erhebung einen so genannten Burgstall, den hölzernen Herrensitz, von der Bina umflossen. Um 1600 könnte dann auf befestigtem Grund rechts der Bina, ein Neubau als herrschaftliches Haus und „Schlößl“ seinen heutigen Charakter erhalten haben, aber noch in Holz ausgeführt.
In einer Urkunden des Klosters Schäftlarn erscheint um 1179 neben Hartnit von Fraunhofen, Albert von Brucke (Bonbruck?), Waltman von Tale, Hesso von Lanchwate (Lanquart bei Bonbruck?) auch Chonradus von Werde (= Rothenwörth?). Diese Nennungen sind aber unter Vorbehalt zu erklären. 1210 erscheint Dietrich von der Pinau auf Rothenwöhr. 1390 sitzt Erhard Perkhofer „zu Werth“; in der Urkunde wird auch Ulrich der Herberger zu Piesenkofen bei Egglkofen genannt. [1] 1443 sind Eysel Perkhofer und 1450/60 Michael Perkhofer auf Rothenwörth. Um die Hinterlassenschaft des Michael Perkhofer, dem Sitz Rothenwörth, streiten sich die Vettern (Cousin) Michael Geratspointer zu Geratspoint bei Vilsbiburg und der Weise und Veste (was mit intelligent und ritterlich zu übersetzten wäre) Leonhard Griesstetter. Der Streit wird soweit geschlichtet, dass jedes Jahr ein anderer den Sitz Rothenwörth sein Eigen nennen kann. 1466 wird man sich einig: Leonhard Griesstetter erhält Rothenwörth und Michael Geratspointer das Haus in Mühldorf. [2] Dass Ursprünglich der Sitz Rothenwörth im Besitz des Herzogs ist, geht aus der nachfolgenden Nennung „das so genannten Lehen“ hervor. Das Lehen/Sitz gehört dem Herzog von Landshut und wurde von ihm verliehen (leihen - Lehen). Am 9. April 1472 verkauft Leonhard Griesstetter dem Michael Geratspointer das so genannte Lehen zu Rothenwörth. [3] Streitigkeiten um den Sitz gibt es nach dem Tode des Leonhard Griesstetter 1484 mit und dessen Witwe Anna, gegenüber dem Michl Geratspointer. [4] 1492 sind die Eheleute Michael und Christina Geratspointer als Inhaber von Rothenwörth überliefert, sowie ihr Sohn Hans, welcher Kirchherr und Pfarrer in Ruprechtsberg ist. Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg 1506 wird der Sitz und die Hofmark Rothenwörth unter dem Sitz Geiselberg (Markt Gangkofen) geführt und als herzogliches Lehen neu vergeben. Hans Stockhammer zu Rothenwörth ist Mautner in Neuötting von 1519 bis 1555. Kaspar Stockhammer „zu Rottnwerdt“ ist Richter in Dorfen von 1546 bis 1554; am 5. Mai 1555 ist er Landrichter von Eggenfelden. [5] Der Mautverweser Hans Stockhammer und sein Vetter Wilhelm Stockhammer sind 1556 zu Rothenwörth, dann seine Erben 1568. In der Landbeschreibung des Philipp Apian vom Jahr 1566 ist Rothenwörth mit einem Herrenhaus genannt. Oswald Schurff aus Tirol zu Sahlhof bei Mallersdorf und Hörmannsdorf, sitzt auf Rothenwörth. Er ist von 1554 bis 1561 fürstlicher bayerischer Pfleger zu Erding, 1559 fürstlicher Rat in Landshut und Hofmeister im Kloster Seligenthal. Er und seine Gattin Katharina, einer geborenen Trainer, die Witwe des Georg Laglberger sterben kinderlos.
Als Pfleger zu Wildshut im Rentamt Burghausen wird 1556 Dionys Herzheimer zu Salmannskirchen und Rothenwörth genannt. Um 1570 war der Sitz bei Johann Erasmus Herzheimer. In der Pfarrkirche von Binabiburg befand sich der Grabstein des am 18. September 1571 Verstorbenen, und seiner Frau Cordula, geborene Lampfrizheim. Er wird als Sohn des Dionys genannt.
Zeichnung aus dem Grabsteinbuch des Freisinger Fürstbischof Joahnn Franz Eckher, Jahr 1693. Der Grabstein war in der Pfarrkirche Binabiburg.
Text: Johann Erasmus, Sohn des Dionys zu Herzheim zu Salberskirchen (Salmannskirchen bei Ampfing, LK Mühldorf) und Rothenwörth, seine Frau Cordula aus der Edlen Familie der Lampfrizheim in Pirka, gestorben am 18. September 1571 (M.D.L.XXI) im 42. Lebensjahr und 15 Tagen. Wappen der Herzheim und Lampfrizheim.
Zeichnung aus dem Grabsteinbuch - siehe Text
Dionys Herzheimer ist auf dem Sitz Rothenwörth erstmals 1574: „Dionys Herzheimer zu Herzhaim, Salbarnkhirchen und Rothnwörth“. Die Herzheimer hatten das Schloss und die Hofmark Salmanskirchen bei Ampfing von den Pfäffinger geerbt, Träger des Erbmarschallamtes und Jerusalemritter. Das Begräbnis der Herzheimer war in Trostberg. Sitz und Hofmark Rothenwörth werden 1575 mit einem Hofbau, vier Höfe, ein Lehen (Lehner) und vier Sölden genannt. Rudolf Herzheimer hat es von seinem Vater Dionys geerbt. Um 1600 wird sein Religionsbekenntnis angegeben: „Rudolph von Herzheim zu Rottenwörth, fürstlich-pfälzischer Forstmeister zu Liezham, ist der pfälzischen Religion“. Es war in der Spätzeit der lutherschen Reformation, als Rudolf Herzheimer zum protestantischen Glauben wechselte und mit ihm die ganzen Untertanen, auch die Rothenwörther. 1604 wird das rot gestrichene hölzerne Herrenhaus genannt, darin vier schöne „gefirniste Stuben“ und andere gezierte Zugehörungen, rund herum ein neu errichteter Weiher und Wassergraben. Dabei sind 40 Tagwerk Holz, der Hofbauer, der Schwarzmaierhof, Stegerhof, der Außer- und Innermittermaier, der Lehner, der Kramer, und drei kleinere Sölden. Sitz und Hofmark Rothenwörth werden mit dem Wert von 9500 Gulden angeschlagen. Der Herzheimer gebraucht das Hofmarksgericht und urteilt über seine Untertanen in einfachen Fällen, was ihm als Hofmarksherr und der „niederen Gerichtsbarkeit“ auch erlaubt ist. 1606 verkauft er Rothenwörth an den Edlen Joachim von Leublfing zu Hauzenstein; [6] er dürfte um 1614 gestorben sein. Durch seine Witwe Anna, geborene Schieck gelangt der Sitz an die Zeilhofen. 1615 wird Ludwig von und zu Zeilhofen zu Rothenwörth genannt, er baut 1619 den Hofbau zum Herrensitz um. Dies dürfte die heutige Anlage neben der Bina sein, aber noch in Holzbauweise, der dortige Hofbauer wurde zum Herrensitz. Begraben ist der am 12. Januar 1637 verstorbene Bischöflich Freysingerische gewester Rat, Hauptmann und Pfleger „Ludovicus von und zu Zeilhofen, auf Rothenwörth“, in der Klosterkirche von St. Veit bei Neumarkt. Seine Frau Edwiga bewohnt 1643 den Sitz Rothenwörth. Alexandra von Zeilhofen heiratet Hans Georg von Eisenreich. 1646 folgen aus der Verwandtschaft Paul Franz von Leublfing und 1653 Johann Christoph Soyer von Schorn, der seinen Sitzanteil am 16. Dezember 1659 an Georg Carl Eisenreich auf Egglkofen verkauft. Mit seiner Frau Maria Sabina, geborene von Seyboltsdorf (beide begraben in der Kirche von Egglkofen) hatten sie den Besitz Unterweilbach und Großen Inzermos, waren Hofmarksherren zu Egglkofen, Binabiburg, Neuenaich, Herrnfelden und Rothenwörth. Nach seinem Tod am 27. April 1677 geht Rothenwörth an den Sohn Joseph Franz Eisenreich, er erlangte den Aufstieg in den Freiherrenstand. 1694 hat Joseph Franz Freiherr von Eisenreich in Rothenwörth ein „hilzernes Herrenhaus“. 1694 gelangt der Sitz an dessen Sohn Joseph Franz Albrecht Freiherr von Eisenreich, gestorben am 3. Juli 1702. Mit seinem Tod erlosch die Familie im männlichen Stamme.
Als Vetter (Cousin) bekommt 1711 Wolf Anton Erasmus Freiherr von Dachsberg zu Egglkofen das Erbe Rothenwörth; dessen Nachfolge trat 1730 Franz Maria Freiherr von Dachsberg an. Die Güterkonskription vom Jahr 1752 nennt den Rothenwörther Besitz des Franz Maria Freiherrn von Dachsberg mit 16 Anwesen: Hofbauer, Schwarzmaier, Außermittermaier, Innermittermaier, Steger, Lechner, Wirt, Christl, Mesner, Valtermann, Schneiderpaul, Schuster, Wasenmeister und Schneider, uneingehöft ist das Schlößl. 1780 gehören die Hofmarken Herrnfelden bei Vilsbiburg, Neuenaich (Gemeinde Bodenkirchen) und Rothenwörth zu Johann Nepomuk Freiherr von Dachsberg, Kämmerer, wirklich Geheimer Rat und Vicedom zu Landshut. Maria Anna Baronesse von Dachsberg heiratet um 1790 Joseph Peregrin Freiherr von Lerchenfeld, Schlossherr von Aham an der Vils, Egglkofen und Rothenwörth. Auf die Baron Dachsbergische Verwaltung folgt das Baron von Schleich´sche Hofmarkgericht Herrnfelden, Rothenwörth und Haarbach, dann ab der Erbschaft 1799 Baron von Lerchenfeld auf Herrnfelden, Angerbach, Rothenwörth usw. als Besitzer.
Katasterkarte aus dem Jahr 1840, mit der Ansicht von Rothenwörth
Am 16. Januar 1820 wird dem Inhaber der Hofmark Egglkofen, Max Freiherr von Lerchenfeld die Bildung der Gemeinde-Übergangsverwaltung, dem Patrimonialgericht II. Klasse, mit Rothenwörth, gestattet. Grundlage der Gemeinde war der geschlossene Bezirk der Hofmark Rothenwörth. Am 30. September 1833 kauft Minister Maximilian Joseph Graf von Montgelas die Hofmark Egglkofen mit den dazugehörigen Gütern Oberndorf, Neuenaich, Angerbach, Sölgering und Rothenwörth von Freiherr Max von Lerchenfeld um 114.289 Gulden. Noch vor der Bauernbefreiung des Jahres 1848 wird allein das „Schlössl“ vom Grafen von Lerchenfeld, in einer Übertragung, mit Brief vom 19. Juli 1807, dem Schreiner Johann Hartmann geschenkt, angeschlagen mit 1000 Gulden.
Quelle: Staatsarchiv Landshut auf der Burg Trausnitz,
Rentamt Vilsbiburg, Signatur: B33, Beilage zum HR-Kataster Binabiburg, Jahr 1808-1813.
Auszug aus dem Häuser- und Rustikalsteuerkataster, Jahr 1808-1813
Abschrift: 19. Juli 1807
Joseph Peregrin Freiherr von Lerchenfeld schenkt dem Johann Hartmann, Schreiner in Rothenwörth das dortige Schlössl, so auf 1/16
oder 1/12 Hof angelegt begutachtet, aber noch nicht eingehöftet ist, in einem Anschlag von 1.000 fl (= Gulden)
Dennoch musste Hartmann an den Grafen einiges an Natur-, Bauten-, und sonstige Scharwerksdienste abarbeiten, sechs Tage jagen, Flachs und Werg abgeben, sowie Hundehaltungsgeld bezahlen. Den oberen Stock behält Graf Lerchenfeld für sich; Hartmann kauft das Stockwerk am 3. Juli 1828 um 130 Gulden. Um 1820 wird die Gemeinde Rothenwörth gegründet; 1835 gibt es die Gemeindeverwaltung Rothenwörth mit dem Vorstand Geltinger. Das „Schlößl“ oder nunmehr, da es beim Schreiner Hartmann ist, „beim Schreiner“, erscheint im Urkataster der Steuergemeinde Rothenwörth von 1844 mit der Haus-Nummer 102, dem Wohnhaus und Kuhstall unter einem Dach, Stadel mit Ochsen-, Schaf- und Schweinestall, Schupfe und Hofraum, dem Wurz-, Obst- und Grasgarten mit Backofen und Waschhaus. Der Schreiner Johann Hartmann erscheint als Besitzer auch 1808, 1819, 1850 in den Steuerlisten. 1867 wird die Witwe Rosina, als Erbin des Georg Ecker genannt. Der Sohn Georg übernimmt den Besitz, er heiratet Elisabeth, eine geborene Steckermaier. Die Tochter Anna übernimmt am 15. Juli 1893 den auf 8.000 Gulden angeschlagenen Besitz, durch ihren Bräutigam Mathäus Schmalzgruber. Der im Jahr 1869 geborene Alois Zens kauft am 17. November 1897 das Anwesen, gestorben ist er am 3. Dezember 1939, im 71. Lebensjahr. Seine Frau Therese überlebt ihn um ein halbes Jahr. Der Sohn von Alois, Josef Zens (geb. 8. Februar 1942) verheiratet mit Hedwig geb. Grötzinger übernimmt den Besitz. Güterstand am 26. Oktober 1964 insgesamt 12,57 Hektar.
Der heutige herrschaftliche Bau mit dem Zeltdach wurde um 1820 gebaut, auf altem Grundfest; nordöstlich davon waren ein Weiher und ein Backhaus. Mit Kaufvertrag vom 20. Dezember 1982 hat der Journalist Jost Niemeier und seine Gattin Ingrid die eigentliche Hofstelle mit 5.004 qm, von Josef und Hedwig Zens, geborene Grötzinger gekauft, und sie bewohnen das Schlössl bis zum heutigen Tag. Gar mancher Produzent hat im Laufe der Jahre seine Sequenzen zu verschiedenen Filmen in und um Rothenwörth gedreht. Nicht nur von den Filmleuten, auch von vielen Freunden, werden das geschmackvoll eingerichtete Haus und die beruhigende Hofatmosphäre „im Schlössl“ gerne angenommen.
Die Ortschaft Rothenwörth liegt am östlichen Ende der Gemeinde Bodenkirchen, an der Landkreisgrenze Landshut und Rottal-Inn. Bis zur Gebietsreform und Eingliederung in die Gemeinde Bodenkirchen im Jahr 1971, gehörte Rothenwörth zur Gemeinde Binabiburg; hatte aber den Status einer eigenen Steuergemeinde.
[1] Hör Helmut: Die Urkunden des Klosters St. Veit, 1121-1450, Nr. 143, in: Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, Neue Folge, Band XV, 1960
[2] Gerichtsurkunden (GU) – Biburg 44, auch Hist. Atlas von Bayern, Dr. G. Schwarz: Vilsbiburg, S. 230.
[3] Hauptstaatsarchiv München, GU-Biburg, Fasz. 3, Nr. 49.
[4] Hauptstaatsarchiv München, GU-Biburg, Fasz. 4, Nr.61.
[5] Bayerische Archivinventare, Heft 31, Stadtarchiv Eggenfelden, Urkunde 210.
[6] Heimatbuch Kienberg, herausgegeben von der Gemeinde Kienberg, 2006. Meinrad Schroll: Die Herzheimer zu Heretsham, Trostberg und Salmanskirchen, Seite 91ff, Dionys/Rudolph Herzheimer Seite 116f.