Die Brandkatastrophe in Binabiburg im Jahr 1901
Jahresjubiläen werden in der Regel gefeiert. Eine Brandkatastrophe wie sie sich vor über 100 Jahren in Binabiburg ereignete, die ein Todesopfer kostete, bei der viele Familien und Häuslerleute vor dem Ruin standen, ein Dorf seinen Zusammenhalt bewies, sich viele mit den Geschädigten durch Zuwendungen und Unterstützungen solidarisch zeigten, muß Erwähnung finden.
Der Pfarrhofbrand am 6. Januar 1682, ist der zurzeit früheste in den Archivalen faßbare Brand in Binabiburg. Am Dreikönigstag brannte der ganze Pfarrhof mit sämtlichen dazugehörigen Gebäuden und dem Kaplanshaus nieder. Auch das Schloß Binabiburg wurde stark in Mitleidenschaft gezogen.
Der schöne Wonnemonat Mai 1901 brachte für die Ortschaft Binabiburg eine schlimme und traurige Zeit.
Am Dienstag den 7. Mai 1901 nachmittags zwischen 15 und 16 Uhr brach aus ungeklärten Gründen im Schandl`schen Bräugasthaus ein Schadenfeuer aus, das sich bei dem heftigen Westwind ungemein rasch ausbreiten konnte, so dass in kurzer Zeit 9 Wohnhäuser, verschiedene Nebengebäude und der Pfarrkirchenturm, der, wie die meisten, vom Feuer ergriffenen Gebäulichkeiten mit Holzschindeln eingedeckt war, in Flammen standen. Von allen Seiten eilten die Feuerwehren zur Hilfeleistung nach Binabiburg herbei. Erst nach fünfstündiger harter Arbeit gelang es, dass man den Feuerherd als begrenzt betrachten konnte. Die Vilsbiburger Feuerwehr wurde von Aich aus telegraphisch vom Großbrand verständigt und als die abgeordnete Abteilung des Feuerwehr-Corps von dort abfuhr, traf auch der Feuerreiter von Binabiburg in Vilsbiburg ein. Der königliche Bezirksamtmann Miller hatte sich ebenfalls rasch auf dem Brandplatz eingefunden und an der Leitung des Löschgeschäftes teilgenommen.
Einige Tage nach dem schweren Brandunglück stand ein Aufruf und Bitte im Vilsbiburger Anzeiger:
„Ein schweres Brandunglück hat das Pfarrdorf Binabiburg am 7. Mai 1901 heimgesucht. Neun Anwesen mit Nebengebäuden fielen dem verheerenden Elemente zum Opfer, der Kirchturm ist niedergebrannt. Wo früher friedliche Häuser standen, ist jetzt ein wilder Schutthaufen, ein blühendes Menschenleben wurde bei den Bergungsarbeiten vernichtet. Nur einer der Abgebrannten ist gut versichert, die anderen alle äußerst gering, Mobiliar fast gar nicht. Der Schaden ist sehr groß, um so größer, da er meistens kleinere und ärmere Leute trifft, die sich von diesem Schicksalsschlage, aus eigenen Kräften wohl niemals erholen können. Auch ihre Mitbürger sind nicht im Stande, ausreichend Hilfe zu bieten. In dieser traurigen Not sind die Abgebrannten auf auswärtige Hilfe angewiesen und wir wenden uns deshalb an mitleidige Herzen, doch hier ihre Hand zu öffnen und recht bald das Elend lindern zu helfen.
Spenden für die Abgebrannten wollen an die Gemeindeverwaltung Binabiburg in Treidlkofen, Post Egglkofen, oder an das Pfarramt Binabiburg, Post Aich, gesendet werden. - Doppelt gibt, wer schnell gibt. Im Voraus ein herzliches - Vergelts Gott !
Der Bürgermeister der Gemeinde Binabiburg, Georg Strasser fühlte sich veranlasst, allen zu danken. Besonderer Dank galt dem kgl. Bezirksamtmann Miller von Vilsbiburg, der Hochwürdigen Geistlichkeit, der königlichen Gendarmerie und den Feuerwehren von Aich, Angerbach, Binabiburg, Bonbruck, Bodenkirchen, Dirnaich, Egglkofen, Frauensattling, Gangkofen, Hölsbrunn, Johannesbrunn, Litzelskirchen, Rothenwörth, Treidelkofen, Vilsbiburg und Wiesbach. Bei manchen Feuerwehren handelte es sich um die Pflichtfeuerwehr, zu der alle Männer verpflichtet wurden und nicht um die Freiwillige Feuerwehr, die in manchen Orten erst später gegründet wurde.
Abgebrannt sind: Das Schandl´sche Bräugasthaus nebst angebautem Kuhstall, das ebenfalls Herrn Schandl gehörende sogenannte Thurmerhaus (stand zwischen Schandl und Metzgerei Daffner) in welchem der Braumeister Fuchs wohnte; die Anwesen der Krämer Schillinger (Raiffeisenbank) und Eder (Staffler), des Metzgers Fellner (Daffner), das alte Schulhaus (Ostermeier), das Grubmannhaus (Schemmerer-Degenbeck) und das Haus des Mauerers Berghofer (Schneider). Ferner ist der Dachstuhl des Pfarrkirchenturmes gänzlich zerstört. Alle 5 Glocken im Turm und der Glockenstuhl schmolzen und fielen in den Turm. Die Kirche selbst wurde beschädigt, konnte aber vom Feuer gerettet werden.
Pfarrer Josef Rettenbeck von Binabiburg war mit Pfarrer Bartholomäus Spirkner in Gangkofen. Auf dem Nachhauseweg sah er schon die Rauchsäule in Richtung oberes Binatal, dachte aber es sei der Zug in Aich. In Dirnaich erfuhr er dann, dass sein Pfarrdorf Binabiburg in Flammen stehe. Er und sein Vater eilten mit ihrem Zweipferdegespann eilends nach Binabiburg zurück. Zu Hause angekommen, fand er das Herzstück des Pfarrdorfes in Schutt und Asche vor. Expositus Straßer besprengte die Fensterstöcke des Pfarrhauses, dessen Fenster bereits zersprungen waren, immer wieder mit Wasser und der Vater von Pfarrer Rettenbeck rettete die Kirche vor den Flammen, indem er die Feuerwehrmänner von Frauensattling, die dem Expositus von Frauensattling unterstanden, zum Presbyterium, das bereits zu brennen anfing, dirigierte. Übereifrig waren einige Männer am Werk um das hölzerne Kommuniongitter und die Sakristeitüre in der Kirche herauszureißen, um dem Feuer keine zusätzliche Nahrung zu bieten.
Am 14. Mai 1901 schreibt Pfarrer Josef Rettenbeck (Signatur 28, Bisch. Zentralarchiv Regensburg) an den Bischof von Regensburg: „... das Allerheiligste wurde noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Ich bitte um die Aufbewahrung des Allerheiligsten in der Allerseelenkapelle. Dort müsste auch wenigstens die Frühmesse gelesen werden, da der tägliche Weg zur Bergkirche für den Benefiziaten Thomas Strasser, viel zu anstrengend sei. Ansonsten könnten die hl. Messen schon in der Bergkirche gelesen werden. Die Turmuhr ist herabgefallen und es sind nur noch die Zeiger zu sehen. Die Orgel ist wasserbeschädigt und die Holzbalken am Langhaus angekohlt. Eine Mobilienversicherung hat die Kirche nicht.“
Der Kirchturm brennt !
Angst und Schrecken ergriff die Bevölkerung. Glimmende und brennende Holzschindel flogen hoch in die Luft. Ein brennendes Holzstück erreichte das Kirchturmdach und schon bald brannte es lichterloh. Es war ein schauriger Anblick.
Die Feuerglocken läuteten noch auf dem Kirchturm, als dieser bei der großen Hitze Feuer gefangen und zu einer brennenden Fackel wurde. Man überließ die Glocken ihrem Schicksal. Ihr eherner Mund war denn auch schon bald verstummt, da das ganze Innere des Turmes in Flammen aufging.
Entsetzt blickten die Menschen zu den himmelwärts lodernden, nicht mehr zu bezähmenden Flammen, denen sie machtlos und hilflos gegenüberstanden. Um sieben Minuten nach 16 Uhr standen die Zeiger der Turmuhr. Das schmiedeeiserne Uhrwerk verglühte in den Flammen. Nach kurzer Zeit brannte der ganze Glockenstuhl lichterloh, die Glocken begannen in der großen Hitze zu schmelzen, fielen als glühende Metallklumpen teilweise auf den Friedhof und zerschlugen Grabsteine. Den Feuerwehren war es fast unmöglich, dem wütenden Element Einhalt zu gebieten. Den vereinten Kräften gelang es schließlich doch, wenigstens die Kirche vor dem Feuer zu retten. Der Turm brannte bis in die unteren Stockwerke aus.
Allmählich gelang es den bis zu 38 Feuerwehren, die ausgedehnte Feuersbrunst einzudämmen. Das Unheil war groß. Eine große Anzahl von Menschen stand obdachlos da und mußte in fremden Häusern untergebracht werden.
Nach der Hochzeit kein Zuhause mehr
Die Sattlers-Eheleute Max und Ursula Ostermeier von Binabiburg, die an diesem Tage in aller Stille ihre Hochzeit feierten, konnten nicht einmal mehr ihr bescheidenes Abendmahl, das sich noch in der Bratröhre befand, verzehren, da ihr erst vor einigen Tagen ersteigertes Haus (altes Schulhaus, Haus Nr. 8) ebenfalls ein Raub der Flammen wurde.
Leider war auch ein Menschenleben zu beklagen
Der beim Schandlbräu bedienstete Bräugehilfe Johann Häglsperger (Christl-Hans) von Rothenwörth, ist beim Ausräumen von einem herabfallenden Balken so schwer am Kopf verletzt worden, dass er im benachbarten Schmiedeanwesen, wohin man ihn brachte und nach Empfang der hl. Ölung, die ihm von Herrn Benefizitat Thomas Straßer erteilt wurde, nach kurzer Zeit verschied. Die irdische Hülle des Verunglückten wurde am 11. Mai 1901 auf dem Friedhof in Binabiburg zu Grabe getragen.
Große Menschenmassen pilgerten nach Binabiburg um die Brandstätte zu besichtigen. Nun galt es die abgebrannten Häuser abzuräumen und wieder aufzubauen.
Sämtliche Glocken, die Pfarrer Anton Lipf im Jahre 1863 angeschafft hatte, waren nunmehr verloren. Mit vereinten Kräften galt es, den Turm wieder aufzubauen, um ein Stockwerk zu erhöhen und die neuen Glocken bei der Glockengießerei Hahn in Landshut zu bestellen. Die Reste der geschmolzenen Glocken wurden überall zusammengesucht, gewaschen, gereinigt und in die Gießerei zum Einschmelzen gebracht. Von den 41 Zentner Gewicht der früheren Glocken brachte man immerhin noch 33 Zentner Altmetall zusammen, für welches 2805 Mark erzielt wurden. Die fünf neuen Glocken wurden 56 1/2 Zentner schwer und kosteten ohne Armaturen, ohne Glockenstuhl und Nebenausgaben etwa 7000 Mark.
Zunächst konnte auf dem Kirchturm ein Notdach errichtet werden. In Vilsbiburg wurde in der Nähe des Sommerturnplatzes beim Postfeldkeller die neue, fast 20 Meter hohe Turmspitze aufgebaut. Sie wurde unter der Leitung von Baumeister Wagner und Zimmerermeister Hell in sehr kurzer Bauzeit hergestellt. Am 3. Oktober 1901 wurde die Turmpyramide abgebrochen und zur Pfarrkirche Binabiburg gebracht.
Ein neuer Glockenstuhl aus gewalztem Doppelprismaeisen für 800 Mark wurde in der Glockenstube montiert. Die Feuerversicherung zahlte für die Glocken 6038 Mark aus, für „Zugehörung des Turmes“ wurden 1900 Mark vergütet. Eine verbleibende Restschuld von 1016 Mark wurde von freiwilligen Beiträgen der Pfarrgemeinde bestritten. Auch eine neue Turmuhr musste gekauft und eingebaut werden. Diese Turmuhr tut noch heute ihren Dienst. Die fünf neu gegossenen Glocken wurden in der Gießerei Hahn in Landshut, von Domkapellmeister Englhart geprüft und für in Ordnung befunden.
Die Glockenweihe
Fünf Fuhrwerke, die zwei Tage lang unterwegs waren, brachten die Glocken am 14. November 1901 von Landshut nach Binabiburg. Die Weihe der neuen Glocken erfolgte am 15. November 1901 mit der Weihevollmacht durch den Geistl. Rat Johann Scharf, Pfarrer von Aich. Sie wurden geweiht, - dem Erlöser, der Mutter Gottes, dem hl. Josef, dem hl. Sebastian und der hl. Mutter Anna. Am nächsten Morgen wurden sie auf den Turm gezogen.
Am 17. November 1901 klang vom Kirchturm der Pfarrkirche Binabiburg, zum ersten Mal wieder das Geläut der 5 neuen Glocken ins Binatal.
Eine schwierige Aufgabe war es schon für die Feuerwehren diesen Brand unter Kontrolle zu bringen und so berichtete der Vilsbiburger Anzeiger: „Bei dem jüngsten Brande in Binabiburg hatte sich eine überaus große Zahl von Feuerwehren eingefunden, denen bei der Gefährlichkeit gerade dieses Brandes und der außerordentlichen Ausdehnung der Brandstätte eine ungemein schwierige Aufgabe wuchs. Es muss aber zur Ehre der sämtlichen Feuerwehren konstatiert werden, dass sich dieselben ihrer Aufgabe in jeder Hinsicht gewachsen zeigen und dass sie trotz der Gefahr drohenden Situation mit größter Ruhe und Sicherheit, mit eben soviel Tapferkeit als Umsicht zusammenarbeiteten, die alles Lobes wert ist und bewirkt hat, dass das Feuer nicht noch furchtbarere Dimensionen annehmen konnte. Es ist dies ein Beweis für den guten Geist, sowohl wie für die tüchtige Schulung unserer Feuerwehren, die aus dieser öffentlichen Erwähnung den Mut zu neuer Tätigkeit im Dienste der Menschheit schöpfen möge. Gut Heil !“
Die Krämer Josef Eder (Staffler) und Sebastian Schillinger (Raiffeisenbank) bedankten sich in einem Inserat am 17. Oktober 1901 für die Unterstützung zum Wiederaufbau ihrer Anwesen. Schillinger verband damit auch die Bitte, ihm auch das bisher in geschäftlicher Beziehung geschenkte Vertrauen auch fernerhin zu bewahren, er werde sich stets bemühen, dasselbe durch streng reelle Bedienung zu rechtfertigen.
Auch das „Hilfskomitee für die Abgebrannten in Binabiburg“ brachte eine Dankeserstattung bei der allen edlen Spendern, insbesondere dem verehrten „Frauenverein Vilsbiburg“, herzlichst gedankt wurde.
Am Sonntag den 29. September 1901 wurde im schön dekoriertem Saal des Hecker`schen Gasthauses in Aich, vor der dort versammelten Mannschaft der Freiw. Feuerwehr Aich, vom kgl. Bezirksamtmann Miller und Bezirksfeuerwehrvertreter Grau von Gerzen im Namen seiner Königlichen Hoheit dem Prinzregenten, nach vorhergegangener „kernigen Ansprache“, dem Feuerwehrmann und Vorstand der Aichner Feuerwehr Wagnermeister Josef Stoiber von Hub die „demselben Allerhöchst verliehene Königliche Rettungsmedaille“ überreicht. Beim Binabiburger Großbrand rettete er die 81 Jahre alte Austräglerin Maria Schleibinger in eigener Lebensgefahr vom Flammentode. Die Medaille befindet sich heute noch bei der FF Aich.
Brand - Privatunterstützungsverein
Schon im Jahre 1883 wurde angeregt, dass die Gebäudebesitzer von Binabiburg und der Umgebung sich vereinigen sollten, in Brandfällen durch Hilfsbeiträge sich gegenseitig zu unterstützen. Unter Bürgermeister Hundhammer von Hasam und dem Lehrer Lehner wurde am 5. März 1886 der Brand - Privatunterstützungsverein Binabiburg gegründet. Er unterstützt seine Mitglieder in Brandfällen durch Gewährung gegenseitiger Hilfe für die Verluste an Mobilien, Vieh, Ernte- und Futtervorräte, sowie für Betriebsstörungen und sonstige Schäden, welche bei der Immobilar-Brandversicherungsanstalt nicht zu versichern sind.
Die Feuerwehren unterlagen auch in der nächsten Zeit einer schweren Prüfung bei vielen kleineren und grösseren Bränden z.B., vom 19. auf den 20. April 1902 in Haunzenbergersöll. Bei dem Großbrand wurden zehn Anwesen ein Raub der Flammen. Dann 1903, die Brände in Westerskirchen, die fast das ganze Dorf einäscherten und wiederum ein Großbrand am 9. August 1903 in Binabiburg. Das Binatal war im Aufruhr. Nachtwachen wurden aufgestellt, Kontrollen wurden am Tage durchgeführt. Den kleinsten Hinweisen auf einen Brandstifter, wurde sofort polizeilich nachgegangen, ja auch Selbstjustiz war angesagt, wenn die Gerüchteküche überbrodelte. Im Spätherbst 1903 kehrte dann endlich wieder Ruhe ein und das dörfliche Leben nahm wieder normale Züge an. Sicherlich wird ein weiterer Bericht über die Brände der Jahre 1902/1903, aber auch über die Leistungen unserer Feuerwehren zur damaligen Zeit informieren.