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Frühe kirchengeschichtliche Namen und Verhältnisse von Aich, Treidlkofen, Frauenhaselbach und Binabiburg

Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München befindet sich mit der Signatur Hochstift Regensburg Nr. 85 eine interessante Urkunde, [1] welche auf das Jahr 1270 zurückgeht. Sie bringt für unsere Heimat eine richtungsweisende Aussage zum Kirchenwesen: Frühe und früheste Nennungen einiger Kirchen: Die genannten Dienstmänner identifizieren sich mit heutigen Ortsnamen. Der genannte Notar und der Ausstellungsort der Urkunde, lässt in Vilsbiburg eine sehr frühe herzogliche Verwaltungsstruktur mit einer Kanzlei erkennen.


Aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, Signatur: Hochstiftes Regensburg, Nr. 85.
Die in Vilsbiburg ausgestellte Originalurkunde vom 4. März 1270 über die Abtrennung der
Kirchen Aich, Treidlkofen und Frauenhaselbach von der Pfarrei Binabiburg

Es dürfte wohl der erste große Auflauf, nach der Gründung der Stadt Vilsbiburg um 1260 gewesen sein! Der Herzog aus Landshut, der Bischof von Regensburg und edle Dienstmänner mit ihrem Gefolge waren in der Vilsbiburger Kanzlei des Herzogs und siegelten nach einem herzoglichem Richterspruch eine Urkunde: Die Kirchen Aich, [2] Treidlkofen und Frauenhaselbach, werden von der Urpfarrei Binabiburg [3] abgetrennt, die Patronatszugehörigkeit wird endgültige geregelt.

Der Binabiburger Pfarrer Josef Rettenbeck (von 1898 bis 1938 in Binabiburg) beschäftige sich mit der Binabiburger Geschichte, und auch mit dieser genannten Urkunde vom Jahr 1270. Rettenbeck glaubt, hieraus lesen und übersetzten zu können, dass Aich, Treidlkofen und Frauenhaselbach 1270 schon Pfarreien waren. In der Originalurkunde steht jedoch nichts von den Pfarreien, sondern: „super jure patronatus trium Eccliarum…“, übersetzt: „ das Patronat von allen drei Kirchen“, und dann weiter „quod Ecclie sive Capelle in Treutelchoven et Haselbach filie forent Ecclie in Pünnapiburch“, übersetzt: den Kirchen oder Kapellen in Treidlkofen und (Frauen)Haselbach, die Filialkirchen von Binabiburg sind.

Die edlen und freien Herren von Haarbach bei Vilsbiburg spielten vom 12. bis zum Ende des 14. Jahrhundert eine übergeordnete grundherrschaftliche Rolle. Als Stellvertreter des Herzogs von Landshut waren sie die Untervögte für das Gebiet südlich der Isar bis zur Vils, Bina und Rott. Als Grundherren waren sie ihren Kirchen als Patron verpflichtet. Die vielen Ulrichskirchen unserer Heimat bringen eine Kennzeichnung für das Herrschaftsgebiet der im Jahr 982 ausgestorbenen Grafen von Geisenhausen und deren Besitznachfolge, dem Hochstift Augsburg - mit dem Patron des heiligen Ulrich. Heinrich, der letzte Graf von Geisenhausen, Bischof von Augburg, vererbte dem Hochstift Augsburg seine Güter, die von den Edlen von Haarbach verwaltet wurden. Die Pfarrkirchen Aich und Treidlkofen besitzen das Patrozinium des heiligen Ulrich (von Augsburg).

Die in Latein verfasste Urkunde hat Dr. Albert Stieß, Vilsbiburg übersetzt. Der Herzog ist in der Urkunde mit der ganzen Anrede verzeichnet: „Nos Heinricus die gra dux Bawarie, palat. Comes Rheni“, was übersetzt heißt: Wir Herzog von Gottes Gnaden Herzog in Bayern und Pfalzgraf bei Rhein…“, und er möchte, dass alle die in diese Urkunde Einsicht nehmen, bekannt gemacht wird, dass zwischen dem verehrungswürdigen Gevatter Herrn Leo, Bischof von Regensburg und seiner Kirche als der eine Teil der Verhandlung, und „unseres ausgewählten Sohnes, des lieben und getreuen Heinrich“, dem Edlen „Nobilis“ Heinrich von Haarbach auf der anderen Verhandlungsseite, über das Patronatsrecht dreier Kirchen, nämlich Aich, Treidlkofen und (Frauen)Haselbach ein Streit entstanden ist. Dabei glaubt der Bischof, dass die Kirchen bzw. die Kapellen in Treidlkofen und Haselbach früher Filialkirchen von Binabiburg waren und die Einkünfte der Kirche Aich (vero Ecclie in Aiche) vollen Rechts dem Bischof zustünden, während der vorgenannte Edle Heinrich von Haarbach darauf besteht, dass er in allen drei genannten Kirchen bzw. Kapellen das Patronatsrechts- bzw. Präsentationsrecht habe.

Der edle Herr „Heinrich nobili viro de Haarbach“ hat das Patronatsrecht (Besetzungsrecht) der Kirchen Aich, Treidlkofen und Frauenhaselbach in der Pfarrei Binabiburg. Dennoch glaubt der Regensburger Bischof Leo, dass das Patronat der Kirche von Aich unbedingt dem Bischof zufallen soll. In der Streitsache erwarten beide letztendlich von Herzog Heinrich (XIII. Begründer der Linie Niederbayern) von Landshut einen gerechten Schiedsspruch. Am 4. März 1270 fällt die Entscheidung über die Abtrennung der Kirchen von der Pfarrei Binabiburg und die Zuordnung der Patronatsrechte.

Mit dem Patronatrecht „jure patronatus“ verpflichte sich der Inhaber zum Wohlwollen des Gotteshauses beizutragen. Mit dem „jus presentandi“, dem Präsentationsrecht ist der Patron berechtigt, dem zur Besetzung des Kirchenamtes berechtigten kirchlichen Oberen, eine geeignete Persönlichkeit, einen Geistlichen mit der Wirkung vorzuschlagen, dass dieser, falls dazu tauglich, die Priesterstelle erhalten muß.

Schriftlich fixiert glaubt der Bischof, dass die Kirchen bzw. die Kapellen in Treidlkofen und Haselbach früher Filialkirchen von Binabiburg waren und die Einkünfte der Kirche Aich (vero Ecclesiae in Aiche) vollen Rechts dem Bischof zustünden, während der vorgenannte Edle Heinrich von Haarbach darauf besteht, dass er in allen drei genannten Kirchen bzw. Kapellen das Patronatsrechts- bzw. Präsentationsrecht habe. Die im Original erhaltene Urkunde nennt drei Kirchen „super jure patronatus trium Eccliarum…“, die Kirchen bzw. Kapellen in Treidlkofen und (Frauen)Haselbach, die früher Filialkirchen von Binabiburg waren, „quod Ecclie sive Capelle in Treutelchoven et Haselbach filie forent Ecclesiae in Pünnapiburch“.

Die Gründung der Kirchen und Kapellen scheint beiderseits durch die Haarbacher; bei Aich unter Mitwirkung des bayerischen Herzogs geschehen zu sein, da dieser als Schiedsmann angerufen wurde.

In seiner Vilsbiburger Kanzlei schlichtet der Herzog den Streit in einen Vergleich: Der genannte Bischof Leo (Leo Thundorfer 30. Bischof von Regensburg, 1262-1277) und seine Nachfolger haben immerwährend volles Verfügungsrecht über die Kirche in Aich. Der ebenfalls genannte Edle Heinrich von Haarbach und seine Erben sollen das Präsentationsrecht der Kapellen Treidlkofen und Haselbach haben. Als Zeugnis der Übereinkunft siegeln die Urkunde: Herzog Heinrich, Bischof Leo, der Edle Albert von Hals, Schwiegervaters von Heinrich dem Haarbacher, und Heinrich der Haarbacher selbst. Die Zeugen dieses herzoglichen Schiedsspruches sind: Magister Ulrich der Schatzmeister, der herzogliche Stellvertreter Vitztum Ulrich von Dornberg (bei Erharting), Konrad von Lupurg, Kanoniker in Regensburg; Heinrich der Propst von Altötting, Konrad der Notar des Herzogs, Magister Hartwig und Konrad, beide Kleriker und Notare des Regensburger Bischofs, der Edle Albert von Hals, Erinold von Preysing, Alram von Rottau, Siegfried von Siegenhofen, Reickher von Aham; Heinrich von Moosdorf, Gözwin Wallär; Kuno von Hofdorf; Rudiger von Iseningen, Wolfger von Warth, Sieghard von Eglofsheim, Friedrich von Poxau und noch mehr edle Ritter. Nicht uninteressant sind die Zeugen aus der „famila dicti nobilis de Horbach“, somit den unmittelbaren Dienstmännern, auch Leibeigene der Familie des Heinrich von Haarbach. (Die meisten Nennungen gehören in die heutige Gemeinde Bodenkirchen): Wernhard von Treidlkofen, Wernhard von Altfaltersberg, Marquard von Aich, Heinrich der Geltinger, die Brüder Konrad und Ulrich von Lanting (bei Haarbach/Tattendorf), und viele andere mehr. Mit dieser umfangreichen Nennung ihrer „Familia“, den Dienstmännern, ist die herrschaftliche Machtposition der Edlen von Haarbach auch an der oberen Bina erwiesen. Interessant ist, dass die Urkunde in Vilsbiburg ausgestellt und gesiegelt wurde. Dieses weist auf eine herzogliche Kanzlei in Vilsbiburg zu einer Zeit hin, wo Vilsbiburg erst im Entstehen war.

Durch diesen Urteilsspruch des Herzogs wurde die Urpfarrei Binabiburg erheblich verkleinert. Der östliche Teil der Pfarrei Binabiburg, die neu gegründete Pfarrei Treidlkofen mit der Filiale Frauenhaselbach kam vor 740 Jahren unter das Patronat der Haarbacher, der südliche Teil an der Bina bis nach Sankt Margarethen, war nun bei der neu gegründeten Pfarrei Aich, unter dem Patronat des Regensburger Bischofs.

Die Größe der Pfarreien, bzw. deren Ausstattung mit geistlichem Personal spiegelt sich im Steuerregister des Bistums Regensburg oder dem Registrum caritativi subsidii von 1438 [4] wieder: Binabiburg mit dem Pfarrer und einem Vikar. Aich mit dem Pfarrer, einem Vikar und zwei Kaplänen. Treidlkofen als kleinste Pfarrei mit dem Pfarrer alleine.

Zur Pfarrei Binabiburg gehören im Jahr 1691 nicht weniger als 12 Filialkirchen. Zur Pfarrei Aich gehören die Filialen Bonbruck, Bodenkirchen und Margarethen. Zu Treidlkofen nur die Filiale Frauenhaselbach und zur Pfarrei Binabiburg mit seiner südöstlichen Ausdehnung: St. Salvator, Rothenwörth, Michlbach, Egglkofen, Tegernbach, Wiesbach und Stein, ev. St. Oswald im Holz bei Wiesbach. Vielleicht ist die eine oder andere Kirche erst im 15. Jahrhundert entstanden, und dennoch kann man sich die Ausdehnung der Urpfarrei Binabiburg vorstellen, wenn die 1270 abgetrennten Kirchen von Aich und Treidlkofen mit ihren Filialkirchen noch bei Binabiburg waren. Dadurch war nun aber der Sitz der Pfarrei Binabiburg an das äußerste nördliche Ende gerückt, und dadurch, den archivalen Überlieferungen zufolge, konnte nicht an jedem Sonntag die große Gläubigenzahl mit einem Gottesdienst versorgt werden.

Nicht nur in der Altpfarrei Binabiburg haben sich 1270 Änderungen ergeben. In Landshut wurde am 5. August 1270 vom Freisinger Bischof Konrad, Heilig Geist zu einer eigenen Pfarrei erhoben und aus Sankt Martin herausgelöst. Bischof Leo von Regensburg übergibt 1270 dem Kloster Seligenthal das Patronatsrecht an der Kirche von Ergolding.

An der Urkunde sind heute noch drei Wachssiegel angebracht: Das des Herzogs, ein seltenes Vollwappen mit den bayerischen Rauten oder Wecken, welche erst nach dem Tod des letzten Grafen von Bogen, und erstmals seit 1247 die Wittelsbacher Herzöge für das bayerische Wappen im Dreiecksschild führten. Das zweite Siegel zeigt Bischof Leo in Pontifikalkleidung, Bischofsmütze und –stab. Seine Regierung fiel in die spannungsgeladene Zeit der Agonie staufischer Macht, die 1268 mit der Enthauptung des jugendlichen Konradin zu Neapel den Todesstoß erhielt und mit ihr zugleich der Kaiserstaat des hohen Mittelalters. [5] Dabei begegnen wir Bischof Leo fast ausschließlich in der Rolle des Vermittlers und Friedensstifters. Leo erließ Bestimmungen über den ehrbaren Wandel des Klerus und dessen Residenzpflicht, gegen die Häufung von Pfründen und wider unbillige Ansprüche der Vögte wie Patronatsherren auf die Hinterlassenschaft der Geistlichen. Das dritte Siegel gehört zu Albert III. von Hals, welcher 1280 in den Grafenstand erhoben wurde, Schwiegervater des Heinrich von Haarbach; das Siegel des Heinrich von Haarbach ist abgefallen. Mit dem Edlen und Freien „nobili Heinrich von Haarbach“ haben wir eine bedeutende Persönlichkeit an der Vils. Als Letzter (gestorben um 1290) des männlichen Geschlechtes der Haarbacher, heiratete Heinrich 1268 Kunigunde, eine Tochter des Grafen Albert III. von Hals. In der Urkunde wird Heinrich von Haarbach auch als „Iudex“, sozusagen als herzoglicher Richter genannt. Dieses geschieht auch in andern Urkunden, betreffend den Herrschaftsbereich Geisenhausen und Vilsbiburg.

Durch einen Schiedsspruch des Herzogs von Landshut kommt es am 4. März 1270 zur Abtrennung der Kirchen Aich, Treidlkofen und Frauenhaselbach von der Pfarrei Binabiburg. Neben den Formalitäten zur Streitsache erscheinen in der Urkunde wichtige Namen zur Lokalisierung der örtlichen Grundherrschaft. Das Indiz des Siegelortes Vilsbiburg bringt den Tatbestand einer Kanzlei in der aufstrebenden herzoglichen Gründungstadt an der Vils.


[1] Thomas Ried, Codex chronologico-diplomaticus episcopatus Ratisponensis, Bd. 1, Regensburg 1816, S. 517 f, Nr. DXLV.

Originalurkunde Signatur: Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, Hochstiftes Regensburg, Nr. 85.

[2] Die Traditionen, Urkunden und Urbare des Stiftes Gars. Bearbeitet von Heiner Hofmann; QE; N.F.; Band XXXI; München 1983; Seite 10. In der Urkunde Nr. 18 vom 22. Mai 1219 wird die Kirche von Bodenkirchen und zum ersten Mal auch ein Geistlicher in Aich genannt. Bei einem Streit, der auch Papst Honorius III. in Rom zum Eingreifen veranlasste, ging es um die des Geistlichen von Aich „Ulricus clerius de Aiche“ erhoben Rechte an das Kapitel von Berchtesgaden, auf die Kirche des Stifters zu Pubenchirchen (Bodenkirchen).

[3] Bitterauf, Theodor: Die Traditionen des Hochstift Freising, 1909, Band II, Seite 438, Urkunde Nr. 1597a. Cod. C. f. 67, vom Jahre 1261. Die Urkunde ist in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: Cod. Guelf. 9.7. Aug. 4°, 67. In der Urkunde wird unter Bischof Konrad II. (1258 – 1278) ein Konrad und Siboto von Treidlkofen in der Pfarrei Binabiburg im Jahre 1261 genannt. (Chunradus et Siboto de Trvtelchouen in parrochia Punaerbiburch.

[4] Popp, Marianne: Das Registrum caritativi subsidii von 1438 als Geschichtsquelle, in: BGBR, Hrsg. Georg Schwaiger, Band 30, Regensburg 1996. Nr. 869. Dekanat Vilsbiburg, Nr. 895-900 Vilsbiburg.

[5] Hausberger Karl, Geschichte des Bistums Regensburg, Band 1, Mittelalter und frühe Neuzeit, S. 132.

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